Predigt zum Sonntag Lätare

Predigttext: Johannes 12,20-26:
Joh. 12,20 Die Ankündigung der Verherrlichung
Es waren aber einige Griechen unter denen, die heraufgekommen waren, um anzubeten auf dem Fest.
21 Die traten zu Philippus, der von Betsaida aus Galiläa war, und baten ihn und sprachen: Herr, wir wollten Jesus gerne sehen.
22 Philippus kommt und sagt es Andreas, und Philippus und Andreas sagen’s Jesus weiter.
23 Jesus aber antwortete ihnen und sprach: Die Zeit ist gekommen, daß der Menschensohn verherrlicht werde.
24 Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.
25 Wer sein Leben liebhat, der wird’s verlieren; und wer sein Leben auf dieser Welt haßt, der wird’s erhalten zum ewigen Leben.
26 Wer mir dienen will, der folge mir nach; und wo ich bin, da soll mein Diener auch sein. Und wer mir dienen wird, den wird mein Vater ehren.

Liebe Gemeinde,
eine Frage vorweg:
Wie findet Ihr Jesus? Findet Ihr, dass er ein guter Mensch war, vielleicht sogar ein sehr guter, – oder findet Ihr , dass er irgendwie auch Gott oder Gottes Sohn gewesen ist?

Wir findet Ihr Jesus? Was haltet Ihr von ihm?

So, liebe Gemeinde kann man diese Frage verstehen: Als Frage, die darauf abzielt, was wir von ihm halten, oder: wie wir ihn sehen.

Die Frage hat aber auch noch eine andere Seite, nämlich diese:

Wie finden wir ihn? – Oder: Wollen wir ihn überhaupt finden? Wie können wir ihn finden?

In diesem Wortspiel findet sich schon der Kern dessen, was heute zu sagen ist:

Finden wir Jesus einfach nur gut, oder cool oder krass? Oder wollen wir mehr? Wollen wir ihn wirklich finden?

Vor einiger Zeit hörte ich in einer Talk-Sendung im Radio das Gespräch mit einer jungen Frau, die aus einer muslimischen Familie im Iran stammt, die allerdings in Österreich aufgewachsen ist.

Sie flüchtete vor ihrer Familie, als ihr Vater ihr klarmachen wollte, dass sie zwangsverheiratet werden sollte mit einem jungen Mann, dessen Eltern sie schon kurz nach ihrer Geburt versprochen worden war.

Nach einer Zeit, in der sie keinen inneren Frieden fand und ruhelos und rastlos von Versteck zu Versteck sich begeben hatte, auf der Flucht vor ihren Eltern und Brüdern, stolperte sie plötzlich über ein Wort aus der Bibel, aus dem Alten Testament

Wenn ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet,
so will ich mich von euch finden lassen, spricht der HERR, und will eure Gefangenschaft wenden und euch sammeln aus allen Völkern und von allen Orten(Jeremia 29,13f.).

Dieses Wort traf die junge Frau wie ein Hammerschlag, oder besser gesagt: Wie eine Offenbarung, die sie so verstand, dass sie bei Gott eine neue Heimat bekommen könnte, wenn sie ihn nur nachhaltig suchen würde.

Sie kaufte sich eine Bibel und las darin, dass dieses Heimat-Finden bei Gott durch einen gewissen Jesus aus Nazareth geschehen könne, obwohl dieser selber am Kreuz gestorben ist und irgendwann gesagt hatte, die Füchse hätten Gruben und die Vögel unter dem Himmel haben Nester, aber der Menschensohn – und damit meinte er wohl sich selbst, habe keinen Ort, an dem er sein Haupt hinlegen könne.

Gott finden, so stellte sich die Sache der jungen Frau dar, bedeutet Heimat und Frieden finden bei ihm, heißt aber auch: In dieser Welt verfolgt werden, nicht mehr sicher sein vor Anfeindungen und Heim-Suchungen, heißt letztendlich: Kreuz und Leiden ertragen müssen.

Wie findet Ihr Jesus?

Wie finden wir ihn denn?

Diese Frage stellten sich auch ein paar Griechen, die damals zum Passahfest nach Jerusalem gekommen waren.

Jesus war auf einem Esel in die Stadt eingezogen, einem Lasttier, einem „Trabi“ sozusagen, und das, trotz der äußeren Erscheinung, als umjubelter König.

„Wie finden wir dass denn?“ fragten sich die Griechen erstaunt, so stelle ich mir das vor, und werden sich die Augen gerieben haben.

Sie taten das zunächst vermutlich in derselben Art und Weise wie das heutzutage die Touristen tun, wenn sie durch die Lande reisen und nicht genau wissen, wo die Attraktionen sind.

„Entschuldigung, wo ist denn hier die Burg Rheinfels? Wir wollen gerne die Burg Rheinfels sehen.“

Wer so fragt, sieht einiges, aber nicht unbedingt das Wesentliche.

In ihrer Suche nach dem lebendigen Jesus in Jerusalem wenden sich die Griechen zunächst an Philippus, einen jungen Mann aus Betsaida in Galiläa, der einer der Jünger Jesu ist und sich offensichtlich auskennt.

Philippus fragt Andreas und Andreas fragt Jesus:

„Jesus, da sind ein paar Griechen, die wollen dich sehen. Was sollen wir tun?“

Auf diese Frage kommt von Jesus eine Antwort, die so gar nicht in den Rahmen passt:

Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.

Und dann fügt er noch hinzu:

Wenn ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet,
so will ich mich von euch finden lassen, spricht der HERR, und will eure Gefangenschaft wenden und euch sammeln aus allen Völkern und von allen Orten(Jeremia 29,13f.).

Wie kommt Jesus zu einer so merkwürdigen Antwort?

Ich denke:

Jesus will sagen, dass man ihn nur kennen lernen und finden kann, wenn man ihn gewissermaßen durch die Brille seines Todes kennen zu lernen bereit ist.

Wer ihn einfach nur „gut“ findet, der ist geneigt, sich nur sein eigenes Bild von Jesus zu machen.

Zur Zeit der Aufklärung in Europa wurde Jesus als der ganz große Lehrer der Vernunftreligion gefeiert.

Für die sogenannten „Deutschen Christen“ im Nazi-Deutschland war Jesus der geborene „Germanische Heiland“.

Die Generation der Achtundsechziger verklärte Jesus als den scharfen Kritiker der aus ihrer Sicht verlogenen Frömmigkeit der 50er-Jahre. Für sie, die Achtundsechziger, war Jesus der Sohn Gottes, der die Menschen in die Entscheidung ruft: Jesus, der Retter der Armen und der Randgruppen! Jesus, der Sozialrevolutionär, Jesus, der „neue Mann“, der in seiner „neuen Männlichkeit“ auch der Wunschpartner der Frauenbewegung sein kann.

Jesus, der wahre Humanist, Jesus, der Windkraftbefürworter oder –gegner, je nach Stanpunkt, Jesus, der in jedes Schema passt.

Jesus als der, von dem sich alle ihr Bild machen.

Diese Projektionen sind verständlich, denn wer von uns hätte nicht gerne seinen oder ihren ganz persönlichen Jesus?

Die Frage bleibt:

Wie finden(!) wir Jesus?

Wir finden ihn bestimmt nicht, wenn wir ihn uns nach unseren Vorstellungen zurechtbasteln, wenn wir ihn nur durch unsere eigene Brille sehen.

Wir finden ihn nur durch sein Kreuz. Wir finden ihn nur, wenn wir seinen Tod bedenken, und durch die „Brille seines Todes“ seine Auferstehung von den Toten ahnen und glauben, glauben und vertrauen, dass er von den Toten auferstanden ist.

Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.

Liebe Gemeinde, die theologische Wissenschaft hält diesen Bibeltext übrigens auch für ein Zeichen seiner Zeit.

Gegen Ende des 1. Jahrhunderts nach Christus waren die ersten Zeugen von Jesu Kreuz und Aufehrstehung selber auch schon alt und zum Teil verstorben.

In der jungen christlichen Gemeinde setzte sich langsam die Erkenntnis durch, dass die Erinnerung an den realen Jesus von Nazareth, den Sohn der Maria und des Josef, langsam, aber sicher immer mehr verblassen würde.

Im übrigen setzte sich auch die Erkenntnis durch, dass dieser Jesus nicht nur für sein Volk, also das Volk Israel, der Heiland sein würde, sondern auch der für alle anderen Völker.

Dass die Vermittlung nun nicht mehr direkt würde geschehen können, d.h. durch Augenzeugen, die ihn noch persönlich kannten, sondern nur noch durch Apostel, durch Nach-Folger und Nach-Nachfolger, durch Prediger des Evangeliums, durch später geborene Zeugen seines Todes und seiner Auferstehung, auch das schimmert in diesem frühen Text schon durch.

„Wenn ihr mich von ganzem Herzen sucht, so werde ich mich von euch finden lassen“

Dieser Satz hatte das leben der jungen Frau aus dem Iran auf den Kopf gestellt.

Die Frage ist nun an uns, wie wir ihn finden. Und ob wir ihn überhaupt finden wollen.

Wenn wir bereit sind, uns auf die Suche zu machen, dann wird das zunächst einmal keine leichte Sache sein.

Denn Jesus zu finden, das heißt nicht, an den Realitäten dieser Welt vorbei zu suchen, sondern es heißt: Den Realitäten dieser Welt ins Auge zu schauen, auch den schweren Dingen, auch dem Tod und auch den Anfeindungen derer, die glauben, ihn und alles andere ohnehin schon zu kennen.

Ihn zu finden heißt aber auch: Dass der Tod und das Leiden nicht das letzte Wort haben soll und auch nicht haben wird.

Der Sozialpädagoge und Pfarrer Arno Pötzsch hat mitten im 2. Weltkrieg als Marinepfarrer einmal die folgenden Sätze aufgeschrieben:

1. Du kannst nicht tiefer fallen
als nur in Gottes Hand,
die er zum Heil uns allen
barmherzig ausgespannt.

2. Es münden alle Pfade
durch Schicksal, Schuld und Tod
doch ein in Gottes Gnade
trotz aller unsrer Not.

3. Wir sind von Gott umgeben
auch hier in Raum und Zeit
und werden in ihm leben
und sein in Ewigkeit.

Text: Arno Pötzsch 1941
Melodie: Hans Georg Bertram 1986
(Evangelisches Gesangbuch EG Nr. 533)

Ihr Pfarrer Johannes Dübbelde

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