Predigt aus Predigtreihe „Beziehungen zu Gott“

Predigttext: Lukas 15, Verse 1-3; 11b-32

Kanzelgruß: „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus“ (1. Kor. 1,3)

Liebe Gemeinde,

innerhalb der Sommerpredigtreihe steht am heutigen Sonntag die Beziehung Gott Mensch, Mensch Gott im Mittelpunkt. Mag es Zufall sein oder gar Fügung, dass der heutige 3. Sonntag nach Trinitatis in der Gottesdienstordnung als Sonntag der offenen Arme bezeichnet wird. Ich finde dies ist ein schöner Einstieg für unser heutiges Thema. Denn gibt es etwas Schöneres, als mit offenen Armen empfangen zu werden? Was macht uns denn letztendlich glücklich und zufrieden? Ist es nicht die erfüllte Sehnsucht nach Liebe und einem Zuhause, in dem ich freudig erwartet werde und geborgen bin?

Aber was ist, wenn ich mir die Chancen auf ein freudiges Wiedersehen selbst verbaut habe? Wenn ich mit Krach und Gezeter aus dem Haus gegangen bin. Oder wenn ich mich gar gleichgültig den offenen Armen gegenüber gezeigt habe und es für nur zu selbstverständlich gehalten habe, Teil der Gemeinschaft zu sein? Plötzlich merke ich, was mir fehlt und habe Angst, dass es zu spät ist für eine Rückkehr und einen Neuanfang. Oder es kommt vor, dass ich es anderen neide, ebenfalls mit offenen Armen empfangen zu werden.

Der Predigttext für den heutigen Sonntag steht im Evangelium nach Lukas, Kapitel 15, Verse 1-3 und 11b bis 32.

Die Geschichte vom verlorenen Sohn oder besser, die Geschichte von den zwei verlorenen Söhnen.
Da ist der Eine der sein Erbteil durchbringt und nachdem er nicht mehr weiter weiß in das Haus seines Vaters zurückkehrt, weil ihm schon klar ist, was er dort hatte. Wie gut sein Vater selbst mit denen umgeht, die am Rande der Gesellschaft stehen und sozusagen keine Lobby haben.
Und da ist der Andere, der eifersüchtig auf die Wiedersehensfreude des Vaters über diesen missratenen Kerl schielt und nicht versteht, warum für solch einen auch noch ein großes Fest ausgerichtet wird. Zumindest müssten da doch eine Menge Vorwürfe seitens des Vaters an den Sohn ergehen.

Nun was steckt hinter dieser Geschichte.
Es ist zweifelsohne eine Beziehungsgeschichte. Eine Beziehungsgeschichte als Familiengeschichte. Vater und Sohn oder besser Vater und Söhne. Und Jesus, der dieses Gleichnis erzählt, hätte dies wohl nicht getan, wenn da nicht mehr gemeint wäre, als nur eine bloße Vater Sohn Beziehung. Jesus nutzt dieses Gleichnis um von der Beziehung Gottes zu den Menschen und den Menschen zu Gott zu erzählen.

Ich bin an einem Satz besonders hängen geblieben. In Vers 20 b heißt es: „Er war noch weit weg, da sah ihn sein Vater schon…“

Die Rede ist von dem Sohn der zurückkehrt. Er, der gebrochen ist, von der Welt da draußen, von dem was er erlebt hat. Enttäuscht kehrt er zurück, da er sich erinnert, wie gut es ihm einmal ging. Macht sich auf den Weg zum Hause seines Vaters. Und er wird schon gesehen, als er selbst noch nichts sieht, sehen kann. Er, der nur von der Hoffnung auf einen barmherzigen Vater getrieben ist und nicht mehr erwartet als das, was sein Vater dem Geringsten in seinem Hause zukommen lässt, der wird schon erwartet.

Ich glaube, dass in diesem Satz der Kern der Beziehungsgeschichte Gottes mit den Menschen steckt.

Wir glauben immer, wir müssten Gott irgendwo suchen. Dabei hat Gott sich schon lange zuvor zu uns aufgemacht um uns zu suchen.

Jesus hat dem Thema „Verloren“ sehr viel Aufmerksamkeit geschenkt; es scheint ihm sehr wichtig gewesen zu sein. Mehrere Gleichnisse sind im Neuen Testament dazu überliefert. „Vom verlorenen Schaf“, „vom verlorenen Groschen“, „vom verlorenen Sohn“.
Und nicht ganz unwichtig ist dabei die Einleitung zu diesen Gleichnissen. Da ist nämlich von denen die Rede, die solche Beziehungsgeschichten beobachten und bewerten. Die ihren Senf dazu geben.
Hier werden sie Pharisäer und Schriftgelehrte genannt. Also solche, die sich Gott ganz nah fühlen. Die Gott quasi studiert und bisher alles richtig gemacht haben. Und die stellen plötzlich fest. Jesus tickt anders. Anders als das, was sie bisher den Schriften zu entnehmen glaubten. Jesus nimmt sich der Sünder an und isst mit ihnen. Aber verhält sich Jesus wirklich so ganz anders als es die bisherigen Schriften über Gott vermitteln?

Um auf die Spur der Gottesbeziehung zum Menschen zu kommen hilft der Blick in andere biblische Geschichten. Immer geht es dabei um Beziehungsaufnahmen Gottes mit den Menschen und deren Entwicklung Da wird auch davon erzählt, dass Störungen auftreten und wie damit umgegangen wird und wir erfahren auch etwas vom jeweiligen konkreten Stand der Beziehung. Und wie die Geschichte ausgeht.

Schauen wir mal auf den uns überlieferten Anfang Gottes mit den Menschen. Als Adam und Eva trotz vorheriger Warnung Gottes ihre große Verfehlung begehen, ist das nicht das Ende. Obwohl sie den Vertrauensvorschuss Gottes leichtfertig aufs Spiel gesetzt haben, geht Gott auf sie zu und setzt einen neuen Anfang.
Dann später, als die Menschen sich von Gott erneut abkehren, lässt Gott eine Person seines Vertrauens, nämlich Noah, eine Arche zur Rettung von Mensch und Tier bauen.
Und dann bei Abraham, der in die Pläne Gottes einbezogen wird, die Städte Sodom und Gomorrah zu vernichten. Da lässt sich Gott auf eine Diskussion mit ihm ein und Abraham feilscht mit Gott um die Rettung der Wenigen, die Gott vertrauen.
Und dann die Geschichte der Stadt Ninive. Gott, der die Vernichtung Ninives schon beschlossen hat, bläst das Ganze zur Verwunderung Jonas ab, weil die Menschen bereuen.
Beziehungsgeschichten der Bibel. Und es gibt unzählige davon.
Ein Muster ist zu erkennen. Der Mensch schafft es nicht. Bei aller Güte und Gnade die Gott erweist, bleibt es dabei. Der Mensch verfehlt, der Mensch bereut und verfehlt. Aber Gott bleibt schließlich bei seiner Entscheidung für den Menschen. Er bleibt die feste Größe.

Am Anfang der Geschichte die Gott mit dem Volk Israels geht steht die Befreiung aus politischer Unterdrückung und Zwangsarbeit in Ägypten. Gott rettet und Israel wird zur Freiheit befreit; auch in seinem Verhältnis zu Gott. (Ex 3, 7 ff.)
Israel hat die Freiheit Nein zu sagen zu Gott. Und Israel hat davon Gebrauch gemacht. Murren in der Wüste. Unzufriedenheit über Mangel an Lebensmittel. Aber Israel hat auch immer wieder freiwillig Ja gesagt zu Gott. In der Erfahrung die Israel gemacht hat, das Göttliche Gegenwart und Leben gleichbedeutend sind.

Im Gleichnis vom verlorenen Sohn bekommt die Beziehung Gottes zu den Menschen besondere Qualität durch das Festmahl. Schließlich wird ordentlich gefeiert. Es wird gefeiert, dass der verlorene Mensch zurückfindet. Gott zeigt damit die Freude an der Umkehr des Verlorenen. Seine Freude und Liebe ist so groß, dass kein Platz für Vorwürfe bleibt.

Gott kämpft um jeden Einzelnen. Beim Propheten Hesekiel heißt es in Kap 23, Vers 8: „Meinst du, dass ich gefallen habe am Tode des Gottlosen, spricht Gott der Herr, und nicht vielmehr daran, dass er sich bekehrt von seinen Wegen und am Leben bleibt?“ Der barmherzige väterliche Gastgeber steht mit geöffneten Armen da, aber es liegt ganz in der Entscheidung eines jeden Einzelnen Menschen, ob er Gottes Einladung annimmt oder ausschlägt.

Verlorengehen hat mit dem Verlust von Beziehungen zu tun. Verloren geht, wen niemand mehr anspricht oder anschaut.
Dieses innere Verlorengehen. Sich selbst verlieren, Gott und die Welt.
Und dahinein kommt die tröstliche Botschaft für den verirrten, verlorenen Menschen.

Mit Jesus hat Gott die Beziehung zu uns Menschen neu geordnet.
Wenn wir auf Jesus schauen, den Menschensohn, in dem sich Gott aufgemacht hat den Menschen dort zu suchen wo er ist. In der Krippe, hilflos und schutzbedürftig, in Jesu Werkstatt eines Zimmermanns, im Tempel auf der Suche nach den Wurzeln des Glaubens, in den Ängsten im Garten Gethsemane als von Menschen und Gott verlassen.

Da macht sich Gott ganz klein und gering um uns ganz, ganz nahe zu sein. Aber Jesus ist mehr als ein Mensch und deshalb kann er uns auch mehr sein.
Gottes Barmherzigkeit nimmt in Jesus Gestalt an. Dies ist Höhepunkt seiner Beziehungssuche, Gott wird Mensch
um die gestörte Beziehung endgültig zu heilen.
Der Wochenspruch hat es auf den Punkt gebracht „Denn der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.“

Gott ist in Erwartung auf unsere Bereitschaft zur Kontaktaufnahme mit ihm. …so ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet, so will ich mich von euch finden lassen…Jeremia 29, Vers 13-14

Was bei Menschen oft nicht mehr geht, bei Gott ist es möglich; das ist die Botschaft des heutigen Sonntags.
Gott will nicht, dass Menschen verloren gehen.
Er lässt sie ihre Wege suchen und ihre Fehler machen. Wie der Sohn, der es zu Hause nicht mehr aushält.
Aber wie der gute Vater lässt Gott ihn nicht allein.
Wartet, geht entgegen, feiert ein Fest.

Das Wort Beichte klingt für uns evangelische Christen fremd, aber ihr Sinn ist klar und eindeutig.
Sich der Verfehlungen bewusst sein, dass was mich von Menschen und Gott trennt. Vergebung erfahren und dann neu anfangen. Darin liegt eine große Kraft. Es geht nicht ums runtermachen bei der Beichte, sondern darum, wieder frei und aufrecht gehen zu können. Und nur so wird Platz für neue Begegnungen. Jesus macht in diesem Gleichnis deutlich, dass er für die gekommen ist, die sich von Gott entfernt haben. Absichtlich oder nicht. Die an der Sache mit Gott scheinbar gescheitert sind. Denen sagt Jesus: Gottes Arme sind weit geöffnet. Und ich bin da dir zu helfen, Anteil zu haben an der Gemeinschaft bei Gott.

Die Sichtweise Gottes auf uns Menschen, die soll im Gleichnis Jesu deutlich werden.

Gott könnte den Menschen da draußen in der Welt sich seinem Schicksal überlassen.

Aber Gott kümmert sich. Er will mit Jesus jeden von uns in seine Geborgenheit zurückholen.

Und sobald ein Mensch gefunden ist, entsteht große Freude bei Gott

Die Erkenntnis des Sünders ist es, die Gott freut. Iich habe einen Fehler gemacht und bin in die Irre gegangen und habe mich von Gott entfernt: Aber nun will ich mich von ihm finden und von meinen Irrwegen zurückholen lassen.

Die Theologin Dorothee geht davon aus, dass alle Lebewesen von Anfang an auf Beziehung ausgelegt sind. Kein „einsames Ich oder die einsame Gottheit“, .Niemand kann damit losgelöst von anderen in einem isolierten und abgeschlossenen Prozess entstehen, sondern entfaltet sich in Gegenseitigkeit oder eben gar nicht.
Aber das denke ich wird insbesondere Thema des kommenden Sonntags sein.

Lasst uns essen und fröhlich sein: Das Reich Gottes wird herbeigegessen und herbeigetrunken. In dem Festmahl zu dem der Vater seine beiden verlorenen Söhne lädt werden Liebe, Vergebung und Rechtfertigung aus Gnade konkret. Dieser nimmt die Sünder an und isst mit ihnen (V.2) Das ist der größte und zugleich schönste Vorwurf den sich Jesus gefallen lassen muss. Es zeigt, dass die Rede vom Festmahl keineswegs nur bildlich gemeint ist. Im Essen und Trinken hält er leibhaftig Gemeinschaft mit uns. Mit uns Zöllnern und Sündern.
Deshalb wollen wir heute auch miteinander Abendmahl feiern.

Gott ist da. Gott wartet. Erwartet uns. Gehen wir auf ihn zu. Er wartet auf Antwort.
Wie wird deine, wie wird meine Antwort sein?

Gott freut sich und die Feier kann beginnen.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

07. Juli 2019
Predigerin: Marina Knieling