Online-Predigt zum 5. Fastensonntag (Judika) am 29.03.2020

Lesung

Die zu der Predigt passende Lesung aus MK 10, 35-45 können Sie sich hier anhören!

Predigt

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Predigt

Judika
Fünfter Sonntag der Passionszeit
Sonntag, den 29. März 2019
Liebe Geschwister,

eine herzliche Begrüßung aus der evangelischen Kirche in Buchholz.

Seltsam ist es schon, zu einer Gemeinde zu sprechen, die man nicht sieht. Ich stelle mir deshalb vor, wer so vor mir sitzen könnte. Bekannte und auch unbekannte Gesichter. Angehörige, Freunde. Ihr seht mich. Aber ich kann euch nicht sehen. Und ihr könnt einander nicht sehen. Aber dennoch bilden wir eine Gemeinschaft. Und wenn wir jetzt einen Augenblick uns nur darauf konzentrieren könnten, Gott die Chance zu geben, zu hören, was er uns heute Morgen zu sagen hat, dann könnte es ein bisschen so sein, wie an einem ganz normalen Sonntagmorgen in der Kirche.

Und dann ist auch niemand allein.

Kanzelgruß:
„Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus“ (1. Kor. 1,3)

Einstimmen möchte ich uns in diesen Morgen mit der Psalmlesung für diesen Sonntag

Ich lese aus dem Psalm 43.

„Gott, schaffe mir Recht“, so beginnt der 43. Psalm.

Ich höre diesen Schrei nach Recht und Gerechtigkeit.

Ich höre diesen Schrei von den Menschen, die in Krankenhäusern und Pflegeheimen auf Hilfe warten und sie nicht bekommen, weil es zu viele sind, die Hilfe brauchen. Oder weil es zu wenig ÄrztInnen und PflegerInnen gibt. Ich höre diesen Schrei von den Menschen, die auch ohne diesen Virus, der derzeit unser ganzes Leben bestimmt, dem Tode näher sind als dem Leben. Weil sie vielleicht in einem der überfüllten Flüchtlingslager leben, oder weil sie mitten im Krieg sind.
Der Predigttext für den heutigen Sonntag geht noch einen Schritt weiter als der Wochenpsalm. Es ist ein Text aus dem Hebräerbrief, der im Schrei nach Gott den Menschen mit in die Verantwortung nimmt.

Anlass für die Abfassung des Briefes sind akute Ermüdungserscheinungen in der Gemeinde der Adressaten. Vielleicht ist sie den Anforderungen, die an sie gestellt sind inmitten einer unchristlichen Umgebung nicht mehr gewachsen. In der Gemeinde werden Zweifel an der Gültigkeit der Verheißungen Gottes laut. Die angeschriebenen Christen sind glaubensmüde geworden und werden vom „Verfasser“ des Briefes als „schwerhörig“ bezeichnet. Er sieht die Gefahr, dass sie ihre Glaubenszuversicht „wegwerfen“ könnten. Sie sollen daher noch einmal bei den Grundlagen des Glaubens anfangen. Einige Gemeindeglieder bleiben den Gemeindeversammlungen fern. Insgesamt ergibt sich das Bild einer zutiefst verunsicherten Gemeinde. Um die erschlafften Hände und die wankenden Knie zu stärken, schreibt der Autor des Hebräerbriefes dieser Gemeinde eine „Mahnrede“. Im Zentrum der Mahnungen steht der Predigttext für den heutigen Sonntag im Kapitel 13, Verse 12-14.

12 „Jesus hat, damit er das Volk heilige durch sein eigenes Blut, gelitten draußen vor dem Tor. 13 So lasst uns nun zu ihm hinausgehen vor das Lager und seine Schmach tragen. 14 Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“

Draußen vor dem Tor stand das Kreuz auf Golgatha. Nicht in der Stadt, sondern außerhalb der Stadt. Draußen vor dem Tor wurde Jesus getötet. Jesus war nicht nur im Tod, nein auch schon zu seinen Lebzeiten ein gesellschaftlicher Außenseiter. Er selbst war ganz nah bei den Menschen. Aber sein Verhalten, seine Werte und Worte standen im Gegensatz zum gesellschaftlichen Mainstream. Der biblische Text aus dem Hebräerbrief fordert uns auf, mit hinaus zu gehen, das eigene sichere Lager zu verlassen und Jesu „Schmach mit zu tragen“. Wir sollen uns an seine Seite stellen. Aber sich aus freien Stücken auf die Seite des Außenseiters zu stellen, in Erwartung und mit der Bereitschaft dieselbe Schmach wie er zu ertragen, ist schon heftig. Will ich das? Und, was bringt mir das?
Draußen vor dem Tor gibt es eine andere, eine ungemütliche Welt.

Und da sind wir wieder beim Psalmtext.

Wer steht im Innern der Stadt unter dem Schutz ihrer Mauern und wer steht außen davor und schreit nach dem Schutz und der Zuwendung der Stadt?
Für wen gibt es Hilfe und wer muss außen vor bleiben, auch in einer Krise wie der jetzigen.

Wir können uns glücklich schätzen in einer Gesellschaft zu leben, in der medizinische Hilfe für jeden in solch einer Situation gleichermaßen zur Verfügung steht. Dennoch gibt es auch Grenzen, die der Mangel aufzeigen kann. Wenn beispielsweise bei andauernd ansteigenden Zahlen derer, die intensivmedizinische Hilfe brauchen, die Plätze und Hilfsmittel nicht für alle reichen und ausgesiebt wird, werden muss, für wen es sich noch lohnt und für wen ggf. nicht. In Italien ist dies schon leider geschehen und deshalb helfen nunmehr andere Staaten, obschon selbst betroffen, mit Material und Menschen aus.
Und da gibt es leider auch wieder Stimmen, die dies nicht gut finden, die sich darüber beschweren, wenn Solidarität auch außerhalb der eigenen Staatsgrenzen ausgeübt wird.

Und auch die Hoffnung, dass die Menschen ihr Verhalten angesichts der aktuellen Krise ändern, bekommt einen Dämpfer, wenn man wie in China sieht, dass sobald sich die Krankheitsfälle minimieren, die Industrie wieder auf Maximum setzt. Wurde die Luftverschmutzung während der Krise in China erheblich reduziert, so nimmt sie leider wieder Fahrt auf.

Können und wollen wir mit Weniger leben? Oder hoffen wir nicht nur auf eine Bekämpfung des Virus, sondern auch wieder auf das alles so wie vorher weitergeht? Dann hätten wir leider nichts dazugelernt.

Aber es gibt auch noch weitere Verlierer der Krise. Kinder deren Eltern nicht die Zeit und Möglichkeiten haben zu unterstützen, wenn die schulische Arbeit von zu Hause aus geleistet werden muss. Diejenigen, die bis zur Erschöpfung pflegen und heilen und die mit Sicherheit ein Applaus am offenen Fenster freut, aber mehr brauchen als nur moralischen Rückhalt. Nämlich bessere Arbeitsbedingungen und adäquate Bezahlung. Wie gehen wir als Christinnen und Christen damit um?

Denn wir haben hier keine bleibende Stadt … sondern die zukünftige suchen wir.

Gerechtigkeit ist komplex. Und gleichzeitig ist die Frage nach dem gerechten Handeln vielleicht oft doch einfacher, als wir glauben. Ein Schlüssel zu einer Verhaltensänderung steckt in der Suchbewegung. …die zukünftige Stadt, den besseren Ort, den suchen wir.

Wir suchen die zukünftige gute Ordnung, denn wir wissen, dass wir sie noch nicht gefunden haben. Wer sucht, der strebt nach Veränderung. Angesichts der aktuellen Krise sucht man nach Kräften Mittel zur Bekämpfung des Virus. Und neben der Bekämpfung des Virus wird danach gesucht, für solche globalen Epedemien besser gerüstet zu sein. Denn selbst wenn wir Medikamente und einen Impfstoff haben, um dem Virus entgegenzutreten, sind wir sicher, dass es nicht neue Viren geben wird, die unsere menschliche Existenz bedrohen?

Nutzen wir wo immer es geht unsere Kreativität. Nutzen wir Möglichkeiten zur Veränderung. Auch zur Veränderung unserer Einstellung zu den Dingen.

Eines ist klar, wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir. Im Ergebnis fordert uns der Verfasser des Hebräerbriefes dazu auf, uns nicht allzu irdisch einzurichten. Den Himmel im Blick zu haben.

Wir erinnern uns, die ersten Christen haben zuerst Ostern gefeiert, das Fest des Lebens mit Gott. Erst danach wurde sich des Weges dorthin erinnert. Und dieser Weg war ein leidvoller. Erst seit Ostern können wir des Karfreitags gedenken.
Mit anderen Worten, erst die Rückschau gibt Hoffnung.

Lasst uns nach der zukünftigen Stadt Ausschau halten. Klar das dies Angst macht.

Folgen wir deshalb dem Psalm:

Was betrübst du dich meine Seele und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken, dass er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

(Marina Knieling, Prädikantin)

Kommentare ( 2)

  1. Antworten
    Anke sagt:

    Jede Krise birgt auch eine Chance. Ich finde es großartig, dass unsere Gemeinde diese Chance nutzt und neue Wege findet, mit den Mitgliedern der Gemeinde im Kontakt und Austausch zu bleiben. Ein ganz herzliches Dankeschön dafür!

  2. Antworten
    Ute und Friedhelm sagt:

    Viele gute Gedanken, wir fühlen uns mitgenommen und verstanden. Wie wahr:
    draußen vor dem Tor -vor der Tür- gibt es eine andere, eine ungemütliche Welt. Ja, die zukünftige Stadt,
    den besseren Ort, suchen wir.
    Noch eine Anmerkung: die Tonwiedergabe war nicht perfekt, da war es hilfreich, den Text mitlesen zu können.
    Danke für all Deine Mühe!

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