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Leseecke: „Harte Jahre“ (Mario Vargas Llosa)

Harte Jahre: der Titel passt und er passt doch nicht so ganz in unsere aktuelle Zeit. Wenn man ihn einfach mal auf sich wirken lässt, dann bezeichnet „Harte Jahre“ wohl eine ungemütliche, schwierige Lebenssituation. Da wird es vielen so gehen, dass direkt Assoziationen zur Corona Pandemie entstehen. Aber auch wenn wir derzeit in wirklich schwierigen Zeiten leben, so lassen sie sich mit denen, die im o.g. Buch beschrieben sind, dennoch nicht gleichsetzen.

Kern der Romanhandlung ist der Militärputsch vom 18. Juni 1954 in dem lateinamerikanischen Land Guatemala. Eine kleine Exilarmee stürzte damals die mit großer demokratischer Mehrheit gewählte Regierung des Präsidenten Jacobo Arbenz. Dieser hatte sich eine Agrarreform zum Ziel gesetzt, die brachliegendes Land an landarme Bauern umverteilen sollte. Zusätzlich war die Verbesserung des Arbeitsschutzes und des Bildungssystems geplant. Der Putsch bedeutete eine Rücknahme eingeleiteter Reformen und eine rücksichtslose Verfolgung der vermeintlichen Anhänger des Präsidenten. Um den Militärputsch vor der Bevölkerung zu rechtfertigen, wurde mittels Flugblattaktionen und in populären Radiosendungen die Angst vor einer kommunistischen Machtübernahme geschürt. In der Zeit des Kalten Krieges war es nicht abwegig, solche Manipulationen für wahr zu halten. Sprechen wir heute von „Fake News“, so kann man an diesem Beispiel sehen, dass es manipulativ verbreitete, vorgetäuschte Nachrichten (Falschmeldungen) auch schon zuvor gegeben hat. Die Mittel waren natürlich vor der rasanten Entwicklung und Verbreitung des Intranets einfacher und die Verbreitung hatte ein geringeres Ausmaß. Guatemala hat in seiner Geschichte eine Zeit blutigster Auseinandersetzungen erlebt. 1996 wurde durch die Vereinten Nationen eine Wahrheitskommission eingesetzt, um die Zeit der Diktatur aufzuarbeiten. Es gab auch ein kirchliches Projekt, das sich ebenfalls mit der Aufarbeitung der Vergangenheit beschäftigt hat.

Wer das von mir empfohlene Buch liest, wird anhand nacherzählter Episoden durch die Geschehnisse kurz vor und in die Zeit nach dem Putsch geführt. Dabei heftet der Autor die Geschehnisse an Personen an, die real existierten: wobei er die LeserInnen in deren Gefühls- und Erlebniswelt eintauchen lässt. Diese kunstvolle Verbindung von realer Geschichte und fiktiven Elementen zeichnet die Klasse dieses Autors aus, der nicht umsonst Nobelpreisträger für Literatur ist.

Dieses Buch eignet sich zur mehrmaligen Lektüre. Viele Einzelheiten und Zusammenhänge werden beim nochmaligen Lesen deutlicher. Also eine gute Investition.

Einigen ist vielleicht der ehemalige brasilianische Erzbischof Dom Helder Camara ein Begriff. Er gilt bis heute als einer der bedeutendsten Kämpfer für Menschenrechte in Brasilien, ebenfalls ein Land mit leidvoller Geschichte. Er prangerte weltweit die Menschenrechtsverletzungen der Folterer und Mörder während der Militärdiktatur an.

Angesichts des Elends in seiner armen Kirchenprovinz, in der Tausende von Kindern jährlich verhungerten, sagte er einmal: „Wenn ich den Armen Essen gebe, nennen sie mich einen Heiligen. Wenn ich frage, warum sie arm sind, nennen sie mich einen Kommunisten.“

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