Ein Plädoyer für Präsenzgottesdienste
Gottesdienst, ein Lebensmittel: Diesen Gedanken, den die ehemalige Ratsvorsitzende der EKD, Botschafterin für das Reformationsjubiläum 2017 und erfolgreiche Buchautorin Margot Käßmann kurz vor Ostern äußerte, spricht für mich Bände.
Denn diese Erfahrung machen, so habe ich den Eindruck, diejenigen unter uns, die in diesen Coronazeiten sonntags die weiterhin stattfindenden Präsenzgottesdienste besuchen. Zwar ist es traurig, dass wir weit auseinander sitzen müssen, und das Maske-Tragen schafft Distanz. Es dämpft die Lebensgeister, dass wir nicht singen dürfen. Und man sitzt da auch nicht ganz angstfrei, auch wenn wir meist nicht viele sind. Was, wenn sich trotz aller Vorsichtsmaßnahmen jemand ansteckt?
Aber dennoch – und dieses Wort DENNOCH gebrauche ich hier ganz bewusst: Wir suchen die gottesdienstliche Erfahrung und spüren, dass der Gottesdienst uns hilft, die Belastungen, die die Pandemie mit sich bringt, zu bewältigen. Wer einmal Psalm 73 gelesen hat, der kennt dieses DENNOCH aus dem Vers 23:
„DENNOCH (ich füge hinzu: auch wenn vieles dagegen zu sprechen scheint) bleibe ich stets an dir; denn du hältst mich bei meiner rechten Hand“.Wie wichtig das gemeinsame Feiern mit „real existierenden“ Gemeindegliedern ist, wurde uns hier in Pfalzfeld besonders an Karfreitag und an Ostern bewusst.
Im letzten Jahr war alles ausgefallen. Kein Karfreitagsgottesdienst in der Kirche mit dem Verlöschen der Kerzen, kein Hallelujagesang beim Ostergottesdienst. Kein Osterfrühstück im Gemeindehaus. Nur eine verschlossene Kirchentür. Zwar war sie mit einem österlich bemalten Tuch behängt, und davor stand das Kreuz. Auf den Plattenweg am Rande des Friedhofes hatten wir in großen Buchstaben: „Christus ist auferstanden!“ gemalt.
Karfreitag 2021: Abendmahl an der Gemeindehaustür. Aber die Stille schmerzte. Wir waren verwirrt und niedergeschlagen, ein bisschen wie die Jünger, die dem Auferstandenen noch nicht begegnet waren. Auch einige wirklich eindrückliche Fernsehgottesdienste konnten uns nur sehr bedingt helfen.
Dann die diesjährige Erfahrung: Schon Wochen zuvor überlegten wir in einer kleinen Runde hin und her, wie wir Karfreitag und Ostern begehen könnten. Wir hätten aber nicht gedacht, wie viel Energie es uns kosten würde, Präsenzgottesdienste für eine größere Anzahl Teilnehmer zu entwickeln und dabei die geltenden Coronaregeln zu beherzigen. Ein nicht geringer Schock war es, als Angela Merkel die Kirchen bat, auf Präsenzgottesdienste an Karfreitag und Ostern zu verzichten. Wir waren froh, als diese Bitte zurückgenommen wurde.
Die beiden Stationengottesdienste draußen im Freien, die wir dann feierten, haben uns selbst und auch den Gottesdienstbesuchern, so wurde uns rückgemeldet, die Osterbotschaft in einer Weise vermittelt wie selten zuvor. Wir sind mit Leib und Seele angesprochen worden, – im wahrsten Sinne des Wortes.
Gottesdienst – Feiern nehme ich inzwischen als Privileg wahr. Dass es nicht selbstverständlich ist, dass die Gemeinde sich sonntags versammeln kann, rüttelt mich auf. Ich erfahre dort Zuspruch. Kann nach dem Gottesdienst draußen vor der Kirche die Inhalte mit anderen zusammen im Gespräch durchbuchstabieren.
Und ich werde dort immer wieder mit Gedanken konfrontiert, die meiner Natur zuwiderlaufen und die ich mir nicht selbst sagen könnte. Und ich ahne, dass mir in den Gottesdiensten der Coronazeit Erkenntnisse geschenkt werden könnten, die sich lohnen, sie zu bewahren – auch und gerade, wenn Corona uns eines Tages aus seinem Griff entlässt.
Silke Dübbelde